Lesetipp: „Flache Lektüre für digitale Gehirne“

Lesetipp: „Flache Lektüre für digitale Gehirne“

Über den Wandel des Lesens im digitalen Zeitalter schreibt Joachim Güntner in der NZZ. Sein Ausgangspunkt ist die Studie „Buchkäufer und Leser“ des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, die 2008 zum zweiten Mal erschienen ist (Zusammenfassung hier). Ausgerechnet im Milieu der konsumfreudigen „Hedonisten“ konstatiert die Langzeituntersuchung eine zunehmende Leseunlust – für den Buchhandel sind sie eine nahezu unerreichbare Zielgruppe. Bücher und Bildung sind längst keine Statussymbole einer Elite mehr, sie haben an Distinktionswert verloren. Güntner schiebt den Schwarzen Peter in Sachen Leseunlust jedoch nicht der Digitalisierung zu, da gerade das Internet zum Lesen zwinge – allerdings zu einem veränderten Lesen:
Das Netz, mag es auch mit der Orthographie auf Kriegsfuss stehen, ist kein Medium des Analphabetismus. Aber es verändert die Art, wie gelesen wird. Über einen Bildschirm mit Text wandert das Auge anders als über eine Buchseite. Je länger der Text, so will der Leseforscher Jakob Nielson herausgefunden haben, desto mehr beginnt der Blick zu springen. Zeilen werden nicht zu Ende gelesen, man sucht Schlüsselbegriffe, Kernaussagen, Merksätze und atomisiert gleichsam den Gesamtzusammenhang. Vertiefung, Einfühlung, Interpretation? Dafür, so meint auch die Bildungsforscherin Maryanne Wolf, die die Verflechtungen von Sprache, Lesen und Gehirnentwicklung untersucht, reiche die digitale Lektüre nicht.